
Die Sellaronda
Für viele Hobbyradler ist sie der ultimative Traum, eine fast mythische Herausforderung vor der Kulisse des UNESCO-Weltnaturerbes. Für mich als top trainierten Rennradfahrer ist sie vor allem eines: ein perfekter, hochintensiver Test für Form, Taktik und Material. Die 50 Kilometer und rund 1.700 Höhenmeter sind keine Expedition, sondern eine Jagd.

Die Sellaronda: Ein Taktik- und Tempotest in den Dolomiten
Ich gehe die Runde im Uhrzeigersinn an. Der Start ist entspannt, man rollt sich warm und der Puls kommt langsam in den „Angriffsmodus“.
Warm up am Campolongo
Der erste Pass, der Campolongo (1.875 m), ist kaum mehr als ein Warm-up. Moderate Steigungsprozente, die man mit hohem Tempo und im großen Blatt fahren kann, um gleich Druck auf die Konkurrenz zu machen oder die Beine für das, was kommt, zu „öffnen“. Hier geht es darum, eine hohe Wattzahl zu treten, ohne zu überziehen.

Das Pordoi Joch
Nach der kurzen Abfahrt folgt das Herzstück: das Pordoi Joch (2.239 m). Hier sortiert sich das Feld. Es sind die gleichmässigen Steigungen, die es in sich haben. Jetzt zeigt sich die wahre Kondition. Man muss das Tempo hoch halten, darf in den Kehren keinen Rhythmus verlieren. Die Steigung liegt konstant bei 8-10%. Hier fahre ich an der Schwelle, der Blick fokussiert auf den Asphalt, die Atmung tief und kontrolliert.
Oben angekommen, ist keine Zeit für Panorama. Die Abfahrt erfordert volle Konzentration. Kurven schneiden, Bremspunkte exakt setzen, die Aerodynamik nutzen, um jeden gewonnenen Meter Vorsprung zu halten oder auszubauen.

Das Sella Joch
Das Sella Joch (2.244 m) ist der nächste Anstieg, steiler und unbarmherziger als der Pordoijoch. Die Rampen sind hier fordernder, die Kehren enger. Es ist ein mentaler Kampf, das Tempo vom Pordoi mitzunehmen. Hier entscheidet sich, wer noch Reserven hat. Man spürt die Höhe, die Luft wird dünner, aber das Training zahlt sich aus – die Lunge brennt, aber die Muskeln machen mit.
Das Grödner Joch
Der letzte Anstieg zum Grödner Joch (2.121 m) ist dann der finale Punch. Die Beine sind schwer, aber das Ziel ist nah. Die letzten Höhenmeter werden im Wiegetritt absolviert, alles aus dem Körper herausholen, was noch da ist.

Die Sellaronda ist kein „mässig schwerer“ Ausflug, wie es in manchen Tourbeschreibungen heisst. Für mich ist es eine knackige, intensive Trainingseinheit inmitten einer unvergleichlichen Kulisse. Wenn man sie auf Anschlag fährt, ist es ein Rausch aus Geschwindigkeit, Schmerz und Adrenalin. Und kaum ist man unten, plant man schon die nächste Runde, um die gefahrene Zeit noch weiter zu verbessern.
(Der Text wurde von einem ex-Profi verfasst, bei dem ich mich dafür bedanke.)
| Länge | 50,4 km |
| Höhenmeter | 1.680 hm |
| Durchschnittliche Steigung | 6 – 8%, je nach Pass |
| Maximale Steigung | 12% |
| Strassenzustand | gut bis sehr gut |
| Schwierigkeitsgrad | aufgrund der länge: schwer |
| Übersetzung | 50-34; 12-32 |
